Spot Check: Trailparadies Finale Ligure
Nach epischen Trailrides am brausenden Meer entlang der Strandpromenade ausrollen und die letzten Sonnenstrahlen bei vollmundigen italienischen Cappuccini genießen. Es klingt wahrhaftig wie ein Traum und ist doch so nah. Wir haben diesen Traum sieben Tage in vollen Zügen genossen. Eine Liebeserklärung an Bella Finale.
Man mag es dem Klimawandel anhängen oder dem eigenen fanatischen Trieb aufs Rad zu steigen zuschreiben. Den Wintern in unserem Lande gehen mehr und mehr die Argumente aus, vom Biken eine Pause einzulegen und sich anderweitig zu betätigen. Doch das Verlangen, der tristen nass-kalten Umgebung zu entfliehen bleibt nach wie vor bestehen. Wer dazu ein passendes Domizil sucht, ohne unbedingt in den Flieger steigen zu wollen, wird um Finale Ligure wohl nicht herumkommen. “Zu welchem Finale?”, entgegnete so ziemlich jeder, dem ich von meinem nächsten Urlaubsziel erzählte. Unter Bikern dagegen ist der Ort an der Riviera längst in aller Munde und ist jährlich Austragungsschauplatz der EWS-Finalrunde. Mit angenehm früh sommerlichen Temperaturen schon Anfang März herrschen zudem perfekte Bedingungen für ein ordentliches Season-Warmup. Grund genug also die Koffer zu packen, die Bikes zu satteln und gen Süden zu pilgern.
In Finale Ligure treffen Trailspaß und Urlaubsfeeling direkt aufeinander.
Das Finale nicht viel mit einem klassischen Urlaubsdomizil gemein hat und vom Rummel des nicht-bikenden Urlaubsvolks verschont geblieben ist, spiegelt sich vor allem in der Atmosphäre des beschaulichen Ortes wieder. Nach unserer ersten Erkundungstour stellten wir erleichtert fest: Keine großen Hotels, keine Partymeilen, keine nervenden Selfie-Sticks. Wirklich jeder Winkel versprüht mediterranes Flair und erinnert viel eher an ein malerisches klischeehaftes Filmset. Das Rauschen des Meeres, knatternde Vespa-Motorren und die regen Gespräche der wild gestikulierenden Italiener in den lauschigen Gassen zwischen alten Gemäuern ziehen uns fortan in den Bann. Dolce Vita pur! Unsere Beweggründe nach Finale zu reisen lagen für uns jedoch wo ganz anders. Das unglaublich großflächige Trailnetz soll seines Gleichen suchen und eilt dem Ruf der Region weit über die Landesgrenzen hinaus. In dem umliegendem Bergland verzweigen sich aberwitzig viele Wege durch die teilweise dicht bewachsenen Wälder und Hochebenen. Auf eine vermeintlich eindeutige Abbiegung auf der Karte offenbaren sich so plötzlich fünf verschiedene Optionen, eine andere Richtung einzuschlagen. Sich vorab mit einer übersichtlichen Karte, App oder einem Kundigen das erste Mal auf den Weg zu machen ist daher nicht nur ratsam, sondern Pflicht!
Im Gegensatz zu alpinen Gebieten werdet ihr in Finale vergeblich nach Liftunterstützung suchen, die euch bequem auf die Gipfel bringt. Wer gerne auf die happigen Anstiege verzichten kann (und die gibt es zu genüge) wählt stattdessen die Angebote der lokalen Shuttle-Unternehmen. So habt ihr die Möglichkeit, euch nach Bedarf entweder One-Way shutteln zu lassen, oder den Service den kompletten Tag inklusive Bike-Guide in Anspruch zu nehmen. Wichtig hierbei ist, dass ihr euch gerade in der Hochsaison rechtzeitig vorab um einen Platz in den Shuttles sichert und die Abfahrtszeiten beachtet. Was in Deutschland vom Bundeskartellamt im Keim erstickt werden würde ist in hier ganz normal und nimmt euch nervige Preisvergleiche ab – Die Preise sind für den Service ist mit fairen 10 Euro One-Way und 45 Euro Tagesshuttle unabhängig der Unternehmen nahezu überall gleich.
Wir haben uns für unseren Aufenthalt gegen eine Fahrt in einer Gruppe mit Guide entschieden. Schließlich wollten wir uns die Zeit nehmen, in aller Ruhe tolle Aufnahmen für euch zu machen und Videos zu drehen. Stattdessen versuchten wir die Tage mit ausgedehnten Touren und One-Way Shuttles möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Die Marschrichtung war jedenfalls klar: Trails, Trails, Trails!
Ein kleiner Zusammenschnitt unserer Highlights.
Was für unseren Tag eigentlich als recht lässige “Warm-Up-Tour” geplant war, offenbarte recht schnell, was uns in den kommenden Tagen erwarten sollte. Zwar ließen sich viele Höhenmeter generell relativ zügig über Asphalt bewältigen, jedoch hatten es die Uphills im abseits der Straßen definitiv in sich. Auch die ersten Downhills setzten ein fettes Ausrufezeichen und hießen uns mit verwinkelten Schlüsselstellen, Steinfeldern und sau engen Spitzkurven recht herzlich willkommen. Nach jedem weiteren Tag waren wir uns dann aber mehr und mehr sicher: Nie haben wir ein derartig geniales Trailnetz befahren! Es war vor allem die Vielseitigkeit, die dieses Gebiet für uns so einzigartig macht. Während die Trails in den Wäldern des Berglandes in bester Freeride-Manier mit viel Flow und ordentlich Speed begeistert, wird es zur Küste hin mächtig ruppig. Die Konzentration ist dabei stets hochzuhalten. Immer wieder lauern hinter Kuppen und Kurven knifflige Schlüsselstellen, die einiges an Fahrtechnik und Cojones erfordern. Hier gilt es, sich die beste Linie durch den oftmals felsig schroffen Untergrund zu suchen und nicht zu sehr an der Bremse zu hängen. Wer es hier laufen lässt, wird Spaß ohne Ende haben!
Braaaaap! In Finale bestehen viele Wege einfach aus einem Meer aus Steinen.
Den Blick auf den Trail zu richten fällt bei solchen Ausblicken ganz ganz schwer.
Dass jedoch nicht nur Fortgeschrittene ihren Spaß hier haben können, beweist der Rollercoaster-Trail – ein Gedicht aus Anliegern, kleineren Sprüngen und wahnwitzigen Kompressionsschwüngen, die euch in der Tat wie in einer Achterbahn durch den Wald schießen lassen und euch bis zum Rand mit Endorphinen vollpumpen werden. Wer die härtere Gangart mag, ist auf Trails wie dem “Cavatapi” oder “DH Men” genau richtig, die auch regelmäßig Bestandteil der EWS-Rennen sind. Zu verdanken ist dieses reichhaltige Angebot an Strecken einzig und allein den ehrenamtlichen Trailbuildern und Shuttleunternehmen, die Jahr für Jahr in schweißtreibender Arbeit die Trails in Stand halten, erweitern und neue Stages für die EWS-Finalrunden in den Boden pflügen.
Während es auf dem Rollercoaster extrem flowig zugeht…
…zeigen die Trails zur Küste hin Zähne.
Gekrönt wird das Ganze von epischen Panoramen, uralte Ruinen und Grotten, romantische Dörfern oder skurrile Orte wie die verlassene NATO-Base. All das wird umrahmt vom speziellen mediterran – maritimen Flair und schafft somit eine unvergleichliche Atmosphäre, die es so wohl nur in Ligurien zu erleben gibt.
Panoramen wie diese machen jede Tour in Finale zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Selbst auf Asphalt lässt die Idyllische Umgebung keine Langeweile aufkommen.
Alte Gemäuer wie diese findet unterwegs zu Genüge.
Entlang der Küste reiht sich eine schöne Hafenstadt an die andere.
Die verlassene NATO-Base im Bergland dient als Startpunkt für unzählige Trails.
Selbstverständlich müssen wir an dieser Stelle auch der kulinarischen Extraklasse ein paar Zeilen widmen. Klar, in Italien gehört gutes Essen zum Standard. Doch die Ligurische Küche ragt daraus besonders mit deliziösem Fisch, Meeresfrüchten und Nudelgerichten aller Variationen mit dem berühmten Pesto heraus. Zu unserer Überraschung ist das Preisniveau selbst in gehobeneren Restaurants äußerst fair, sodass man sich ohne ganz auf eine geschmackliche Reise einlassen kann. Zusammen mit einem guten Glas Wein lassen sich die intensiven Tage wohl kaum besser ausklingen.
In den örtlichen Restaurants gibt es frisches und köstliches Essen zu fairen Preisen.
Unsere Empfehlungen für euren Trip
Trails
- Rollercoaster: Ein total abgefahrener Trail, der euch garantiert in einen Vollrausch versetzen wird. Spaß pur!
- H-Trail long run: Hier lassen sich vom Bergland bis zum Strand insgesamt 1000 Höhenmeter in einem Zug vernichten. Breites Grinsen auf jeden Fall vorprogrammiert.
- DH-Men: Ein Trail, der einem das fürchten lehren kann, gleichzeitig aber durch geniale Blicke aufs Meer bezaubert. Ein Muss für jeden ambitionierten Fahrer!
Restaurants
- Aquaviva: Für uns die beste Adresse, wenn ihr ein etwas gehobeneres Abendessen sucht. In tollem Ambiente gibt es Gerichte vom Feinsten (unbedingt das Piedmontese probieren!) und eine tolle Auswahl an hervorragenden Weinen.
- Osteria Grotesque: Wer speziellere Gerichte sucht, wird im kleinen Grotesque fündig, das von zwei sympathischen Jungs betrieben wird. Vorher reservieren!
- Pomella: Ziemlich versteckt in einer Seitengasse findet ihr das originelle Pomella, in dem bekommt ihr traumhaftes Focacce bekommt.
Unterkunft
Wer zum Biken nach Finale reist, ist im Hotel San Giuseppe bestens aufgehoben. Das ehemalige Kloster dient mit Fahrradwaschplätzen, Bike-Keller, kleiner Werkstatt, täglicher (und kostenloser) Wäscheservice, ordentlichem Frühstück und einem hoteleigenem Shuttleservice als perfekte Homebase für eure Vorhaben. Hinzu kommt eine Gastfreundschaft, die herzlicher und kompetenter wohl kaum sein könnte.
Hier geht es zur Homepage: www.hotelsanguiseppe.com
Roberto – Hotelbetreiber, gute Seele des Hauses, Shuttle-Fahrer und coolste italienische Socke in Personalunion.
Navigation
Um durch den wild verzweigten Trail-Jungle zu navigieren, hat uns kostenlose App OruxMaps exrem geholfen. Da ihr euch die Trails vorab auf euer Smartphone ladet, funktioniert die Karte offline und weist euch zuverlässig und übersichtlich den Weg. Wer auf der Suche nach brauchbaren GPS-Tracks ist und sich über die Region näher informieren möchte, ist mit dem Trailbook von www.trails.de sehr gut beraten.
Unser Fazit
Mama mia, wie haben wir die Zeit in Finale genossen! Mit einer einzigartigen Kombination aus schier grenzenlosem Trailspaß, mediterranem Urlaubsfeeling und vorzüglicher kulinarischer Geschmackserlebnisse hat der kleine Küstenort an der Riviera unsere Herzen im Sturm erobert. Egal wie weit die Reise nach Ligurien für euch auch sein mag – jeder Moment an diesem Ort ist es definitiv Wert, die Reise anzutreten. Alla prossima volta Finale!
Autor: Pascal Fessler
Toller Bericht, gute Infos und Empfehlungen , mach weiter so ☺?